Ellbogendysplasie (ED)

 

 

 

Unter Ellbogendysplasie (ED) versteht man eine Miss- oder Fehlentwicklung im Bereich des Ellbogengelenkes, welche durch das nicht Zusammenpassen der gelenkbeteiligten Knochen zu einer Erkrankung des Gelenkes führt. Diese kann von verschiedenen Ursachen ausgelöst werden: Einerseits gibt es eine genetische Komponente, welche dazu führen kann, dass die verschiedenen am Ellbogengelenk beteiligten Knochen miss- oder fehlgebildet werden. Andererseits gibt es überlastungs- oder unfallbedingte Ursachen für eine Ellbogendysplasie. Beide Komponenten können separat oder gemischt auftreten, was nicht immer einfach zu unterscheiden ist.

Wichtig ist dabei, dass die genetische Komponente nur durch gezielte Zucht, die überlastungsbedingte Komponente durch eine gute Aufzucht und Haltung im jugendlichen Alter verhindert oder minimiert werden kann. Grund dafür ist das enorme Knochenwachstum im Alter von 5 - 9 Monaten. Somit ist es nicht erstaunlich, dass die klinischen Symptome in eben diesem Altersabschnitt auftreten und einem jungen Hund das Erwachsenwerden erschweren. Bis vor einiger Zeit hat man angenommen, dass die Ellbogendysplasie mit dem Auftreten der Hüftgelenkdysplasie gekoppelt sein könnte. Studien haben aber gezeigt, dass die beiden Erkrankungen keine genetische Korrelation haben und somit ausser einem ähnlichen Vererbungsmodus nichts miteinander zu tun haben.

 

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Bei welchen Rassen entsteht ED
Prinzipiell kann diese Gelenkserkrankung bei allen Rassen als Folge eines Traumas/Unfalls respektive durch Überbelastung entstehen. Dabei werden die Gelenkflächen des Ober- oder des Unterarmes entweder direkt (Quetschung/Stauchung des Knorpels, Gelenkfraktur) oder indirekt (Achsabweichung nach Frakturen oder Verletzung der Wachstumsfuge) in Mitleidenschaft gezogen.

Jedoch ist die Erkrankung in der Regel ein genetisches Problem, das vor allem bei grossen Rassen (z.B. Berner Sennenhund, Deutscher Schäfer, Retriever, Rottweiler, Mischlinge davon) auftritt. Da es sich aber um einen komplexen Erbgang handelt (beide Elterntiere müssen Träger des Dysplasiegenes sein) und die Aufzucht sowie die Haltung ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Gelenke haben, kann eine dysplastische Erkrankung des Ellbogens immer auftreten. Es besteht somit auch keine hundertprozentige Sicherheit, einen dysplasiefreien Welpen zu kaufen, wenn beide Elternteile frei von Ellbogendysplasie sind.

Damit die Wahrscheinlichkeit grösser wird, einen gesunden Welpen zu erhalten, muss unbedingt darauf geachtet werden, dass beide Elterntiere frei von Ellbogendysplasie sind. Grosse Aufmerksamkeit muss aber vor allem der Aufzucht gefährdeter Rassen entgegengebracht werden

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Welches sind prädisponierende Faktoren?
Eine sehr wichtige Komponente bei der Auswahl des Welpen besteht in der Berücksichtigung der Genetik seiner Eltern bezüglich Ellbogendysplasie. Wie bereits oben erwähnt, ist die Gefahr, einen dysplasiegefährdeten Welpen zu kaufen, geringer, wenn die Eltern radiologisch keine Anzeichen einer Ellbogenveränderung aufweisen. Die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung des Ellbogengelenkes verkleinert sich, je mehr Ahnen dysplasiefrei sind. Deshalb ist es beim Kauf eines Welpen enorm wichtig, den Stammbaum der Eltern genau anzusehen und sich beim Züchter oder der Züchterin über allfällige Probleme bei den Ahnen zu informieren.

Während der Aufzucht eines Welpen muss der Fütterung ebenfalls eine wichtige Rolle zugeschrieben werden. An erster Stelle ist sicher die Futtermenge entscheidend. Ein Welpe muss in der Regel sein Futter gegen seine Geschwister verteidigen, wodurch er sehr hastig frisst. Wenn er nun bei seinen neuen Besitzern ist, wird er sein Fressverhalten vorläufig nicht ändern und weiterhin alles gierig fressen. Dies verleitet fast jede/n Welpenbesitzer/in dazu, dem jungen Wollknäuel noch mehr Futter hinzustellen. Schliesslich hat er schnell und alles gefressen, und hat somit sicher noch Hunger. Leider ist das ein Trugschluss, der dazu führt, dass viele Welpen zu dick werden. In der Folge muss der Welpe mehr Gewicht herumschleppen, als es seine Knochen und Gelenke ertragen. Deshalb ist auch beim Spielen und Herumtollen die Belastung der Gelenke und Wachstumszonen um ein Vielfaches höher als bei einem normalgewichtigen Welpen. Aus diesem Grund können sich folgende Probleme ergeben:

 

  • die Wachstumsfugen schliessen sich zu früh, was zu krummen Beinen und Fehlbelastung im Ellbogen und Handgelenk führen kann
  • die Knochenfortsätze (Processus olecrani, Processus coronoideus, Processus anconaeus) verwachsen unter Umständen nicht mit den Unterarmknochen und bilden isolierte, die Gelenkaktivität störende Knochenteile.
  • der Gelenkknorpel wird unnötig mehr belastet, was zum Ablösen vom Knochen führen kann.

 

Aus diesen Gründen ist ein wohlgenährter Welpe sicher anfälliger auf Gelenkerkrankungen als ein vielleicht sogar etwas untergewichtiger Welpe.

 

Als optimale Fütterung für grossrassige Welpen empfehlen wir an unserer Klinik ein speziell für grosse Rassen angefertigtes Junghundefutter mit einem Zusatz von gelenkschonenden Substanzen. Die Futtermenge ist immer abhängig vom Futter, der Verdauung und der Bewegung des Welpen. Als Richtlinie ist die gute Tastbarkeit der Rippen anzusehen. Sind diese sichtbar, ist der Welpe eher zu mager, sind sie nicht mehr tastbar, ist der Welpe zu dick.

Als weitere mögliche Ursache einer Ellbogendysplasie muss sicher das Hinauf- und Hinunterrennen von Treppen in Betracht gezogen werden. Es ist eine grosse Belastung und erwiesenermassen schlecht für die jungen Gelenke, im Besonderen für die Ellbogen, wenn ein Welpe häufig Treppen runterrennt. Von Vorteil sind Treppenabsperrungen und Tragen des Welpen. Wird der Junghund zu gross und schwer zum Tragen, sollte er unbedingt die Treppen hinauf- und heruntergeführt werden. Somit verringert sich die abrupte Belastung des noch sehr weichen, jugendlichen Knorpels und Knochens, was zur Erhaltung der optimalen Gelenkstrukturen beiträgt. Auch Wanderungen sind genauso kritisch zu betrachten und aus der Sicht der Tierärztin/des Tierarztes nicht zu befürworten. Velofahren und Joggen sollte unterlassen werden, bis der Welpe circa 1-jährig ist, da auch dies zur Überbelastung des Bewegungsapparates führt.

Das Herumtollen mit Spielkameraden sollte auf keinen Fall unterbunden werden, da auf diese Weise das normale Sozialverhalten erlernt wird und sich der Welpe zurückziehen oder hinlegen kann, wenn es ihm zu bunt wird.

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Wie äussert sich eine Ellbogendysplasie?
Die klinischen Anzeichen eines Problems im Ellbogengelenk können sich sehr schnell oder auch relativ langsam bemerkbar machen. Sie zeigen sich durch Lahmheit bei einseitiger Gelenkerkrankung sowie durch klammen Gang mit kurzen Schritten bei beidseitiger Erkrankung. Da die Gangveränderungen und Schmerzen aber erst im Alter von ca. 5 - 9 Monaten auftreten, wenn der Junghund seine stärkste Wachstumsphase hat, können zu diesem Zeitpunkt bereits massive Gelenkschäden vorhanden sein. Diese können leider nicht mehr rückgängig gemacht werden. Eine Therapie besteht nur noch in der Minimierung der Folgeschäden, d.h. der Schmerzbekämpfung und dem Versuch, die Arthrosebildung zu unterdrücken oder zu stoppen. Aus diesem Grund ist beim Junghund mit Lahmheit die sofortige Konsultation bei der Tierärztin oder beim Tierarzt dringend zu empfehlen.

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Wie entsteht eine Ellbogendysplasie?
Das Ellbogengelenk wird wie in ersichtlich aus drei verschiedenen Knochen gebildet. Dem Humerus (Oberarm), dem Radius (Speiche) und der Ulna (Elle). Die Ursachen der Fehlentwicklungen im Ellbogengelenk gehen hauptsächlich von der Elle und der Speiche sowie von deren Verknöcherungszentren und Wachstumsfugen aus. Eine Folge dieser Störungen können sein:

 

  • Stufenbildung zwischen Elle und Speiche durch ungleichmässiges Wachstum
  • Nichtverwachsen der einzelnen Verknöcherungszentren der Elle durch Über- oder Fehlbelastung
  • Zu kurze Elle durch zu frühen Schluss der Wachtumsfuge im Handgelenk
  • Missbildung der einzelnen Knochenfortsätze
  • Absprengung des Processus coronoideus innen an der Elle durch Über- oder Fehlbelastung
  • Knorpelmissbildungen / -schäden (OCD: Osteochondrosis dissecans)

 

Alle diese Veränderungen können einzeln oder miteinander auftreten und führen zwangsläufig zu einer Inkongruenz der Gelenkflächen und somit zu einer gewissen Instabilität. In den meisten Fällen zieht eine Veränderung die andere nach sich, womit ein Teufelskreis entsteht. Der Körper reagiert auf diesen Reiz mit Entzündung und versucht mit Knochenzubildung eine Stabilisierung des Gelenkes zu erreichen, was zu Arthrose und Schmerz führt.

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Wie kann man entgegenwirken?
Die wichtigste Massnahme zur Verhinderung einer Ellbogendysplasie ist die Zucht mit dysplasiefreien Hunden. Dies ist aber nur möglich, wenn bei möglichst vielen Hunden die Ellbogen geröntgt und ausgewertet werden. Da die Resultate zum Teil im Stammbaum eingetragen werden, können sie problemlos eingesehen oder sonst beim Züchter nachgefragt werden. Somit kann sich jede/r Welpenkäufer/in selber ein Bild über das Risiko einer Ellbogendysplasie bei seinem Welpen machen. Hunde mit schlechten Ellbogen fallen automatisch aus der Zucht, da sie vom Rasseklub gesperrt werden. (Vorsicht: jeder Rasseklub hat andere Bestimmungen. Anm. der Redaktion.) Zuchttiere mit nicht optimalen Gelenken sollten nicht zur Zucht eingesetzt werden. Auch wenn die Verpaarung mit einem dysplasiefreien Hund Nachkommen ohne Dysplasie ergeben kann, ist zu bedenken, dass die Welpen mit Sicherheit Träger des krankmachenden Genes sind. Auf diese Art und Weise ist somit die Reduzierung der dysplasiekranken Hunde nicht möglich.

Bei der Aufzucht der Welpen ist, wie oben bereits erwähnt, auf das Gewicht (Rippen immer gut tastbar), gutes Futter (Junghundefutter mindestens bis zum abgeschlossenen Zahnwechsel, besser bis zum Erreichen des ersten Geburtstages) und vernünftige Bewegung (kein Treppenrennen, keine langen Wanderungen, kein Velofahren bis mindestens 1-jährig) zu achten.

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Wie kann die Ellbogendysplasie behandelt werden?
Leider sind beim Auftreten der klinischen Symptome bereits Veränderungen vorhanden, welche in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ziel der Therapie ist es, eine Verschlechterung des Gelenkzustandes zu verhindern. Dies geschieht zum Teil operativ durch Entfernung abgesprengter oder nicht angewachsener Knochenstücke, mittels Durchtrennung der Elle bei krummen Vorderbeinen oder mittels Entfernung des losgelösten Knorpels bei Knorpelschäden. An zweiter Stelle steht die Schmerzbekämpfung mittels Entzündungshemmern in Kombination mit knorpelaufbauenden und knorpelschützenden Präparaten. Dies um dem Hund ein einigermassen schmerzfreies und angenehmes Leben zu ermöglichen und um das Fortschreiten der Arthrose zu verlangsamen.

An dritter Stelle steht die möglichst rasche Gewichtsabnahme bei übergewichtigen Hunden, was manchmal ein schwieriges Unterfangen darstellen kann. Das Wichtigste ist dabei sicher die Reduktion der Futtermenge oder das Einführen eines Fastentages pro Woche. Gelingt die Gewichtsreduktion mit diesen Methoden nicht (Mitleid, verschiedene Personen, die füttern, andauerndes Betteln usw.), ist es manchmal notwendig, dem Hund eine Diät zu verschreiben, die jedoch auf Grund des noch nicht ausgewachsenen Skelettes vorsichtig zusammengestellt werden muss. An vierter Stelle wird eine Einschränkung der Bewegung angeordnet. Dies führt zu weniger Belastung des geschädigten Gelenkes und somit zu weniger Arthrose. Es ist jedoch darauf zu achten, dass der Hund einerseits nicht unter Bewegungsarmut leidet, andererseits nicht zu dick wird und die Muskulatur nicht schwindet. Aus diesen Gründen empfehlen wir an unserer Klinik, die Hunde häufiger, aber weniger lange zu bewegen.

Sicher gibt es Hunde, die eine Ellbogenarthrose besser ertragen als andere, und solche, die weniger arthrotische Zubildungen machen. Grundsätzlich ist aber eine Arthrose eine ernst zu nehmende Gelenkerkrankung, die dem Hund Schmerzen bereitet und ihn leiden lässt. Kann die Arthrose nicht unter Kontrolle gebracht werden, kann es im schlimmsten Fall zu einem steifen Ellbogen führen, was für den Hund ein erhebliches Problem im Bewegungsablauf darstellt. Andererseits können die Schmerzen so stark sein, dass sie auch mit den heute sehr potenten Medikamenten nicht unter Kontrolle gebracht werden können und der Hund sogar eingeschläfert werden muss. Damit dies alles nicht oder erst im hohen Alter geschieht, ist es unbedingt notwendig, möglichst früh und kompetent eine Therapie einzuleiten. So kann dem betroffenen Hund geholfen und ein hundewürdiges Leben ermöglicht werden.